Himalajagebirge und
nordindische Ebene
Das
Himalajagebirge im Norden ist rund doppelt so lang und doppelt
so hoch wie die Alpen. Vor dieser Gebirgsmauer breitet sich
die große Nordindische Ebene aus. Sie setzt sich, wenn man
von den Gebirgszügen absieht, aus dem Einzugsgebiet des Indus
einerseits und des Ganges
mit Brahmaputra andererseits
zusammen. Die Wasserscheide dieser indogangetischen Niederung
befindet sich in nur 230 m Höhe in der Provinz Punjab.
Sie ist indessen nicht als solche erkennbar; überall und in
allen Richtungen blickt das Auge über Ebenen, kein Hügelzug
verändert den einfachen Horizont, es sei denn, man befinde
sich relativ nahe an den Rändern des flachen Geländes.
Der Indus nimmt in seinem Mittellauf die vereinigten
Wasser jener fünf großen Ströme auf, die der in wirtschaftlicher
Hinsicht bedeutsamen Provinz Punjab den Namen gegeben haben
(punj = 5, ab = Wasser). Von hier an aber muß der Indus trotz
übermäßigem Verdunstungsverlust das Arabische Meer zu erreichen
suchen, was ihm nur deshalb gelingt, weil er und seine Tributäre
viel Wasser aus dem gebirgigen Teil des Einzugsgebietes abzuführen
haben. Ähnliches gilt für den Ganges; auch er nimmt wasserreiche
Flüsse aus dem Gebirge auf. Die Jumna,
welche Delhi
und Agra
berührt, wäre eigentlich der längere Quellarm, aber der wasserreichere
Ganges gab dem Gewässer und damit der Ebene den Namen. In
Bengalen
stößt zum Ganges noch der Brahmaputra, der hinter dem Himalaja
1300 km weit ostwärts zieht, dann aber im äußersten Nordosten
des Landes in einer riesigen Haarnadelkurve wieder westwärts
umbiegt, mit dem Ganges zusammen sich verästelt, verwildert
und die mindestens 40 000 qkm messende fruchtbare Reis- und
Jutelandschaft Bengalen bildet.

Die
Nordindische Ebene ist ein Gebiet großflächiger
Aufschüttung. Die Gewässer lagern hier das Material des Gebirges,
feinen Sand und Schlamm, ab, wohl schon seit geologisch ältesten
Zeiten. Die Zufuhr solchen Materials wurde den Naturgewalten
in neuster Zeit auch hier, wie in so vielen andern Ländern
der Erde, durch den Menschen erleichtert; unbedacht wurden
Wälder in den Fußhügelzonen gerodet, und die in der Monsunzeit
kräftigen Regenfälle tun das ihrige, um die gute Erde von
den nun entblößten und damit geschwächten Hängen abzuspülen
und in die Niederung hinaus zu verfrachten. Östlich des
mittleren Indus weitet sich die Wüste Thar,
die allerdings mehr Steppe als gänzlich steriles Gelände ist,
und in welcher nomadisierende Hirtenvölker ein karges Dasein
fristen. Die großen Ebenen sind leicht durchgängig, und ihr
Alluvialboden bietet für die Landwirtschaft
gute Grundlage. So ist es verständlich, daß hier seit altersher
die dichtest besiedelten Provinzen Indiens zu finden sind.
Hier liegen auch Städte, die in der indischen Geschichte
immer wieder genannt werden: Delhi, die alte Hauptstadt, zu
der sich in neuerer Zeit die moderne, als Ergebnis einer wohlbedachten
Stadtplanung errichtete Hauptstadt New Delhi gesellt hat.
In der Gangesebene die alten Städte Agra und Gwalior
mit ihren Forts, die Industriestädte
Lucknow und Kanpur,
das heilige Benares, in
der Mündungszone des Ganges die Hafen- und Industriestadt
Kalkutta.
Ihr Hafen liegt 128 km vom Meere entfernt am Mündungsarm Hooghli.
Beinahe die Hälfte des gesamten indischen Seehandels geht
über Kalkutta.


