
Liebe, Humor, Pathos, Ärger, Heldentum,
Angst, Empörung, Verwunderung und Ruhe sind die Nava
rasas oder die neun grundsätzlichen Gefühle,
die für die indische Ästhetik grundlegend sind. Sage
Bharata, der erste indische Musikwissenschaftler, der im
1. oder 2. Jahrhundert v.Chr. gelebt haben soll, drückte
diese Stimmung aus und glaubte, daß es die Aufgabe der Musiker
sei, diese Gefühle oder Stimmungen hervorzurufen. Die klassische,
d.h. traditionelle Musik in Indien basiert auf diesen von Bharata
geforderten Prinzipien und geht in Richtung Meditation, Konzentration
und Verehrung.
Die Raga, oder Tonart bildet
die Grundlage für eine musikalisches Aufführung. die
Raga ist im wesentlichen eine ästhetische Wiedergabe von
sieben Noten und von jeder Raga wird behauptet, daß sie
spezielle Gefühle und Geschmäcker ansprechen. Man könnte
die Raga also mit einem Art Rhythmus vergleichen.
Tala verbindet die Musik.
Sie besteht hauptsächlich aus einem festen Zeitzyklus für
jede Wiedergabe und wiederholt sich ständig, einer Grundmelodie
vergleichbar. Tala ermöglicht eine Menge Improvisationen
zwischen den Taktschlägen und komplexe Variationen zwischen
den einzelnen Durchgängen.
Durch Kombinationen von den Ragas, Talas
und den sich wiederholenden Shrutis,
erschafft die indische Musik eine Vielzahl von Stimmungen und
Empfindungen. Der melodische Klang von Musikaufführungen
können die allerinnersten Gefühle der Zuhörer ansprechen,
Kenner wie Nicht-Kenner.
Vor nicht all zu langer zeit besaß die indische Musik zwei
Hauptströme : die carnatische oder südindische
Musik und die Hindustani- oder nordindische Musik. Die carnatische
und die Hindustani-Musik besitzen einige Gemeinsamkeiten, ihre
Herkunft und Philosophie sind z.B. im wesentlichen gleich. Ihre
Ragas und ihre Ausdrucksweisen sind jedoch sehr verschieden.
Die nordindischen Musikschulen könne sich mit Namen, wie
Amir Khusro (13. Jhd.) und
Miyan Tansen, der am Hofe
des Mughal-Kaisers Akbar im
16. Jahrhundert wirkte, rühmen, während die großen
Schulen der südindischen Musik Musiker wie Venkatamakhi
(17. Jhd.), Thyagaraja und
Shyama Shastri hervorgebracht
haben.
Alle indische Musiker gehören zu einer besonderen Gharana
(Haus) oder Schule. Jede Gharana hat ihre eigenen Traditionen
und Aufführungsarten und diese Stile werden aufs Energischste
verteidigt und bewahrt. Einige der bekanntesten Gharanas findet
man in Delhi,
Agra,
Gwalior
und Jaipur.
Heute existieren keine klaren Trennungen zwischen süd- und nordindischer
Musik mehr, es gibt viele Wechselwirkungen und Vermischungen zwischen
diesen beiden Musikrichtungen. Beide Stile beeinflussen sich gegenseitig,
was nur zu einer Bereicherung der indischen Musiktraditionen beitragen
kann.
|